Ein Verfahren bei einer Schlichtungsstelle erfordert weder eine anwaltliche Vertretung noch Kosten, dafür kann es aber dem Patienten aus seiner regelmäßig vorhandenen vorprozessualen Beweisnot helfen.
Die Prämisse, dass man einem Arzt seinen Fehler fast nie nachweisen kann, stimmt nicht. Bei einer geschickten Vorgehensweise können Patienten ihre Rechte durchsetzen. In Betracht ist zuerst ein Verfahren bei einer Schlichtungsstelle zu ziehen (wenn das Einverständnis des Gegners vorliegt), das weder eine anwaltliche Vertretung noch Kosten erfordert, dafür aber dem Patienten aus seiner regelmäßig vorhandenen vorprozessualen Beweisnot helfen kann. Das Schlichtungsverfahren hemmt auch die Verjährung, soweit der Ersatzpflichtige am Schlichtungsverfahren beteiligt ist, § 204 I Nr. 4 BGB.
Die seit 1975 bei den Ärztekammern eingerichteten Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bieten eine Begutachtung durch unabhängige medizinische und juristische Experten und außergerichtliche Streitschlichtung bei Behandlungsfehlervorwürfen an. Der Patient kann durch ein zeitlich effizientes und für ihn gebührenfreies Verfahren überprüfen lassen, ob sein Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt ist. In rund 90 Prozent der Fälle werden die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen von beiden Parteien akzeptiert und die Streitigkeiten beigelegt. Wird nach Begutachtung durch diese Institutionen doch noch der Rechtsweg beschritten, werden die Entscheidungen der Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen überwiegend bestätigt, Quelle: Pressemitteilung BUNDESÄRZTEKAMMER vom 15.06.2015.
Das Ergebnis des Schlichtungsverfahrens empfiehlt sich dann einem Rechtsanwalt vorzulegen. Dieser wird die Besonderheiten des Arzthaftungsrechts berücksichtigen und das weitere Vorgehen danach richten. Falls der Gutachter einen Behandlungsfehler bejaht hat, muss der Anwalt vor der Klageerhebung noch die Verjährung und Passivlegitimation prüfen sowie auf die Substantiierungslast ( etwa Darlegung eines echten Entscheidungskonflikts) achten. Wurde der Behandlungsfehler verneint, soll der Anwalt prüfen, ob dies plausibel ist, ggf. mit Hilfe eines Facharztes. Wird lediglich die Kausalität streitig, muss geprüft werden, ob dem Patienten Beweiserleichterungen bzw. Ermessensnorm des § 287 ZPO helfen können.
Allerdings kann das Schlichtungsverfahren nachteilig für eine mittellose Partei sein, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist. Zwar ist die Klage, der kein Schlichtungsverfahren vorausgegangen ist, nicht mutwillig im Sinne des § 114 S.1 ZPO, weil eine private freiwillige Schlichtung dem staatlichen Rechtschutz nicht gleichwertig ist. Jedoch wird das Gericht die Erfolgsaussicht einer solchen Klage mit großer Wahrscheinlichkeit verneinen und Antrag auf Prozesskostenhilfe ablehnen, es sei denn, dass auch nach dem Sachverständigengutachten aus dem Schlichtungsverfahren bereits nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand Fragen offen bleiben, die in einem gerichtlichen Verfahren der weiteren Abklärung insbesondere weiterer sachverständiger Beratung bedürfen und ohne die die Erfolgsaussicht der Schadenersatzklage daher nicht verneint werden kann.
Wie Kerstin Kols, Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, berichtete, haben die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen im Jahr 2014 bundesweit insgesamt 7.751 Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen. Es lag in 2.252 Fällen ein Behandlungsfehler vor. Davon wurde in 1.854 Fällen ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründete. Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterarmfrakturen. In 398 Fällen lag ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel vor, der jedoch keinen kausalen Gesundheitsschaden zur Folge hatte.